Künstliche Intelligenz (KI) durchdringt zunehmend den Alltag junger Menschen in Deutschland. Insbesondere KI-gestützte Tools wie Chatbots, personalisierte Lernangebote und soziale Medienalgorithmen beeinflussen deren Informationsaufnahme, Interaktionen und somit potenziell ihre Persönlichkeitsentwicklung. KI-Tools (Chat GPT und andere KI-Anwendungen) werden laut JIM-Studie 2024 insgesamt von 62 Prozent der Befragten genutzt, von denen unterschiedliche Motive für die Nutzung angegeben werden, allem voran für die Unterstützung bei den Hausaufgaben. Als weitere Nutzungsmotive für KI wird von mehr als der Hälfte angegeben, sie zum Spaß zu nutzen, 43 Prozent nutzen KI, um sich zu informieren. Eine untergeordnete Rolle spielt KI bei den Befragten für die Erzeugung von Musik und Videos. Jungen nutzen KI häufiger zur Unterhaltung und um herauszufinden, wie etwas geht.

Potenziale:

KI-gestützte Kreativwerkzeuge können künstlerische Ausdrucksformen ermöglichen und das Selbstvertrauen stärken. KI-Chatbots können als Gesprächspartner dienen, insbesondere für Jugendliche, die Schwierigkeiten haben, soziale Kontakte zu knüpfen, und so soziale Kompetenzen fördern. Sie können in schwierigen Situationen, je nach Trainingsdaten, anonymer, individueller und vielfältiger beraten, als ausgedünnte konfessionell geprägte Beratungsangebote in ländlichen Gebieten. KI-Tools bieten Chancen zur Förderung individueller Stärken und Interessen. Personalisierte Lernplattformen können auf unterschiedliche Lerntypen und persönliche Barrieren eingehen und so Selbstwirksamkeit und intrinsische Motivation steigern. Dies kann das Selbstwertgefühl stärken, jedoch auch zu Abhängigkeit von externer Validierung führen und Resilienz gegenüber Misserfolgen schwächen.

Herausforderungen und Risiken:

Gleichzeitig birgt der Einfluss von KI-Tools Risiken, die gut beobachtet und begleitet werden sollten. Virtuelle Räume und soziale Medien, zunehmend durch KI kuratiert, prägen Selbstbild und soziale Vergleiche. Junge Menschen sehen sich mit idealisierten, algorithmisch generierten Identitätsangeboten konfrontiert, was Identitätsdiffusion verstärken kann. Aufgrund der Tatsache, dass sie typischerweise anhand großer Mengen historischer Daten trainiert werden, die ihrerseits oftmals durch vorherrschende soziale Ungleichheiten und institutionelle Diskriminierungsmechanismen geprägt und dadurch systematisch verzerrt sind, besteht ein signifikantes Risiko der Verfestigung und Verstärkung bestehender Vorurteile (Bias-Reproduktion), indem die in den Trainingsdaten enthaltenen Ungleichheitsrelationen und Diskriminierungsmuster reproduziert werden.

Die ständige Verfügbarkeit von KI-generierten Antworten kann die Entwicklung kritischen Denkens und Problemlösungsfähigkeiten beeinträchtigen. Die Abhängigkeit von KI-Tools zur Entscheidungsfindung könnte die Eigenverantwortung und das Vertrauen in die eigene Intuition untergraben. KI-Tools, die soziale Interaktion simulieren, können sich negativ auf zwischenmenschliche Empathie und emotionale Intelligenz auswirken. Der Umgang mit den durch KI-Tools generierten Daten und deren potenzielle Nutzung zur Profilbildung und Manipulation stellt eine ethische Herausforderung dar.

Aufgaben für den Jugendschutz

Der Jugendschutz hat die Risiken im Blick, um junge Menschen durch stärkenden Ansätze zu befähigen, sich vor gefährdenden Einflüssen zu schützen.

  • Identitätsentwicklung: Die ständige Konfrontation mit idealisierten Darstellungen in sozialen Medien, verstärkt durch KI-Algorithmen, kann zu unrealistischen Selbstbildern und Identitätskrisen führen.

  • Soziale Kompetenzen: Die Verlagerung von Interaktionen in den digitalen Raum kann die Entwicklung nonverbaler Kommunikation und Empathie beeinträchtigen.

  • Selbstregulation: Die ständige Ablenkung durch KI-gestützte Benachrichtigungen und Unterhaltungsangebote kann die Fähigkeit zur Selbstkontrolle und Zielverfolgung schwächen.

  • Moralische Entwicklung: Die Konfrontation mit unterschiedlichen Wertvorstellungen in KI-generierten Inhalten kann die eigene moralische Urteilsfähigkeit herausfordern, aber auch fördern.

Fazit:

Der Einfluss von KI-Tools auf die Persönlichkeitsentwicklung junger Menschen ist komplex und ambivalent. Während sie Potenziale zur Förderung individueller Entwicklung bieten, bergen sie auch Risiken für die Entwicklung kritischen Denkens, sozialer Kompetenzen und einer stabilen Identität. Die Europäische Kommission hat daher in der KI Verordnung (AI Act §14, Erwägungsgrund 20) eingefügt, dass ein Europäisches Gremium für Künstliche Intelligenz die Kommission dabei unterstützen soll, KI-Kompetenzinstrumente sowie die Sensibilisierung und Aufklärung der Öffentlichkeit in Bezug auf die Vorteile, Risiken, Schutzmaßnahmen, Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit der Nutzung von KI-Systeme zu fördern. Ob hierbei die relevanten Aspekte eines guten Auswachsens ausreichend berücksichtigt werden, bleibt abzuwarten.

Die Beschäftigung von Fachkräften und Eltern mit generativen KI-Tools duldet allerdings keinen Aufschub: Eine bewusste Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten und Grenzen von KI-Tools sowie eine Förderung von Medienkompetenz und kritischem Denken in Bildung und Erziehung sind essentiell, um die positiven Effekte zu maximieren und die negativen zu minimieren.

Material und Vertiefung:

Ein Beitrag der Medienwerkstatt Potsdam: Realitätscheck: KI in der Jugendarbeit und Bildung

Handysektor: Peer-To-Peer-Materialien für Jugendliche, die mit jungen Menschen eigenständig Medienkompetenzprojekte zu KI-Tools umsetzen wollen

Klicksafe: Erläuterungen und Vertiefung zum Thema Künstliche Intelligenz für Fachkräfte

Jugendschutz.net: Deepfakes, Hetze, Missbrauch: KI verschärft Risiken für Kinder und Jugendliche im Netz. Jahresbericht 2023

Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis (JFF) – Merz: Medienpädagogik und KI

JIM-Studie 2024