BESCHREIBUNG
Der digitale Raum bietet viele Chancen für die sexuelle Entwicklung junger Menschen – Er bietet niedrigschwelligen Zugang zu Informationen, die Möglichkeit, neue Menschen kennen zu lernen oder das einvernehmliche Austauschen von Sexts oder Nudes (Sexting).
Gleichzeitig sind damit auch Risiken verbunden. So erleben etwa 20% der Jungen, 40% der Mädchen und sogar 60% queere (diverse) Jugendlicher sexualisierte Gewalt im Netz [vgl. Partner5 Studie Jugendsexualität 2021, JIM-Studie 2024 und die Dunkelfeldstudie des ZI-Mannheim 2025].
Mädchen* und queere Personen berichten viel von sexualisierte Gewalt in Form von unerwünschten sexuellen Nachrichten (z.B. anzügliche Sprüche, Aufforderungen zu sexuellen Handlungen) oder Bildern (z.B. Dickpics). Nach einer bundesweiten Befragung der Landesanstalt für Medien (NRW) von 2024 waren oder sind ein Viertel aller Jugendlichen aus Deutschland schon von einer Form sexualisierter Gewalt durch Erwachsene, bzw. Cybergrooming betroffen.
Häufig werden Erfahrungen mit sexualisierter Grenzüberschreitungen, bzw. übergriffigem Verhalten allerdings normalisiert und nicht als übergriffiges Verhalten benannt, bzw. es findet eine Art Gewöhnung statt.
„Also, ich habe es ehrlich gesagt schon häufiger gesehen. Man ist da mittlerweile gegen abgehärtet in dem Sinne. Man blockiert dann halt, oder entfernt, oder was weiß ich. Und denkt nicht mehr weiter drüber nach“ (Sina, 16).[zit. nach Thiel, Kira/ Lampert, Claudia/ Dreyer, Stephan/ Andresen, Sünje: „Ein ganz weirdes Ding“ – Mit Jugendlichen über sexualisierte Grenzverletzungen sprechen. (2024) in: Media Research Blog]
Als sexualisierte Gewalt wird jede sexuelle Handlung verstanden, die an oder vor anderen Personen und gegen deren Willen vorgenommen wird. Manchmal kann es sich trotz Zustimmung um sexualisierte Gewalt handeln – etwa wenn die betroffene Person aufgrund ihres Alters die Situation und ihre Folgen nicht abschätzen kann oder sie sich in finanziellen oder emotionalen Abhängigkeiten von der ausübenden Person befindet.
Diese Taten verletzen das Selbstbestimmungsrecht eines Menschen und überschreiten Grenzen.
Sexualisierte Gewalt im Netz findet ohne physischen Kontakt statt, kann aber eine Vorstufe dazu sein und/oder parallel dazu verlaufen. Andersherum können Begegnungen im analogen Raum Ausgangspunkt zu sexualisierter Gewalt im Netz sein – also auch, wenn in der Einrichtung selbst kein Zugang zum Internet angeboten wird oder die Geräte junger Menschen nicht genutzt werden dürfen.
Dabei kann es sich um Gespräche und Handlungen handeln (in Chats und Videochats), die ungefragt und gegen den Willen eines anderen Menschen stattfinden, das unerwünschte Zusenden von Dickpics oder das Erpressen mit sexuell expliziten Fotos (→ Sextortion).
Ein relevanter Teil sexualisierter Gewalt (im digitalen Raum) ist nicht unbedingt strafrechtlich relevant, wie z.B. Grenzüberschreitungen wie sexistische Witze im Gruppenchat oder ungefragte sexualisierte Nachrichten. Jedoch ist es bei jeder Form sexualisierter Gewalt wichtig, genau hinzuschauen, eine klare pädagogische Haltung zu zeigen, Betroffene zu unterstützen und mit Bedacht zu handeln (intervenieren) und im Anschluss präventive Maßnahmen zu integrieren.
„Also es hat mich, vor zwei Monaten war das, glaube ich, so ein Typ random auf Instagram angeschrieben. Also war auch irgendwie ein komisches Profil. […] Und hat mich halt so sehr persönlich angeschrieben. […] Also das war schon sehr persönlich und ich glaube, habe ich auch kurz mit ihm geschrieben, irgendwas, keine Ahnung. Und ja, dann war irgendwie so ein ganz weirdes Ding. Also es war irgendwie schon abends und dann hat er noch irgendwie so ganz komisch irgendwas gute Nacht oder so, ganz komisch formuliert. Und ja, da habe ich dann/ also fand ich komisch. Habe ich einfach blockiert und dann, ja, war die Sache auch rum. Aber das fand ich ein bisschen unangenehm“ (Niklas, 17)[zit. nach Thiel, Kira/ Lampert, Claudia/ Dreyer, Stephan/ Andresen, Sünje: „Ein ganz weirdes Ding“ – Mit Jugendlichen über sexualisierte Grenzverletzungen sprechen. (2024) in: Media Research Blog]
Der Jugendmedienschutz hat sich zur Aufgabe gemacht, sexuelle Integrität von jungen Menschen im digitalen Raum zu schützen.